Mehr Wetter-Sicherheit in den eigenen vier Wänden
Neubau und Bestand: So wird das Haus besser auf zukünftige Starkregen vorbereitet
Quelle — Münchener Merkur
Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen beschäftigt noch immer ganz Deutschland. Auch in Bayern machen sich viele Hausbesitzerinnen und ‑besitzer Sorgen um ihre Immobilien: Ist das Haus wirklich gut gerüstet gegen Starkregen? Denn heftige Niederschläge werden im Zuge des fortschreitenden Klimawandels voraussichtlich häufiger vorkommen. Dann braucht es gar keinen übers Ufer tretenden Fluss, damit der Keller unter Wasser steht oder die niedrig liegende Garage vollläuft. Doch sowohl Hausbesitzerinnen und ‑besitzer als auch angehende Häuslebauer und ‑bauerinnen können Vorkehrungen treffen, um ihr Heim zu schützen.
Schwachstellen kennen und beseitigen
Tipps dafür hat Hochwasserschutzexperte Reinhard Vogt: Der Tiefbauingenieur leitete 20 Jahre lang die Kölner Hochwasserschutzzentrale, war in seiner Funktion als Sachverständiger weltweit tätig und engagiert sich in verschiedenen Initiativen zum Hochwasserschutz. In seiner Funktion als Auditor für die Deutsche Vereinigung der Wasserwirtschaft berät er Kommunalverwaltungen beziehungsweise deren Bürgerinnen und Bürger in ganz Deutschland zum Thema Hochwasserschutz.
Laut Vogt gehören überlaufende, verstopfte Dachrinnen und vollgelaufene Keller zu den häufigsten Folgen bei Starkregen. „Oft kommt auch über die Terrassentür Wasser in die Wohnung, besonders dann, wenn sie bodentief ist“, weiß der Experte. Befinde sich ein Gebäude in Hanglage, kämen schon auch mal Schlammlawinen durch Bodenerosion zustande. Auch Garagenüberflutungen, die immense Kosten verursachen können, nennt er.
Der von Hausbesitzerinnen und ‑besitzern am häufigsten vernachlässigte Posten im Gebäude ist laut Vogt das sogenannte Rückstauventil, auch Rückstauklappe genannt. Wenn bei Starkregen die Straßenkanäle voll seien, entstehe Druck auf die Abwasserleitungen, die sich im Haus befinden. „Wenn man tiefliegende Sanitär- gegenstände wie eine Toilette, eine Waschmaschine oder einen Bodeneinlauf im Untergeschoss hat, dann drückt das Kanalwasser in den Keller hinein“, erklärt Vogt. Wann immer er Hochwasserpässe für Gebäude ausstelle, frage er als erstes nach dem Rückstauventil. „Oft finde ich es unter irgendwelchem Gerümpel“, sagt der Sachverständige. „Ich würde sagen, dass 80 Prozent aller Kellerüberflutungen durch schlecht gewartete oder sogar fehlende Rückstau-ventile zustande kommen.“
Lichtschächte besser höher einfassen
Auch Kellerfenster seien eine Schwachstelle, weil viele nicht dichthielten. Für gewöhnlich lassen sie sich nach innen öffnen – dem Druck steigender Wassermassen von außen halten sie nur schwer stand. Deshalb rät Vogt, von vornherein zu verhindern, dass Wasser in den Lichtschacht hineinkommt, zum Beispiel mithilfe spezieller Aufsätze aus Kunststoff. „Im Bayerischen Wald habe ich auch Lichtschächte mit einer nachträglichen kleinen Ummauerung gesehen“, erinnert sich Vogt. Wer neu baue, könne von vornherein auf höhere Lichtschachteinfassungen achten.
Allen, die einen Hausbau planen, rät der Experte zu einer Gefährdungsanalyse beispielsweise bei der Erstellung eines Hochwasserpasses. Das sollte noch während der Planungsphase geschehen, so könne man nämlich herausfinden, wo es unterschiedliche Abflusswege gebe. Manche Kommunen verfügen auch über sogenannte Fließwegekarten, deren Konsultation mit in die Bauplanung einfließen sollte. „Man muss zum Beispiel entscheiden, wo man baut, ob man tiefliegende Fenster macht und wie man die Wasserdichtigkeit sicherstellt“, sagt Vogt. „Hilfreich ist es auch, sich anzusehen, wie unsere Vorfahren gebaut haben – nämlich mit einer Vorstufe. Man kann zum Beispiel die Oberkante einer außenliegenden Kellertreppe erhöhen.“
Verschiedene Szenarien berücksichtigen
Wer einen Keller plane, könne auf eine sogenannte Weiße Wanne aus wasserundurchlässigem Beton setzen. Hierbei sei es natürlich wichtig, dass auch sämtliche Zuleitungen zum Haus stabil und wasserdicht installiert würden. Vogt rät außerdem, einen persönlichen Alarm- und Einsatzplan zu erstellen, der im Ernstfall eine schnelle Reaktion auf eintretendes Wasser gewährleisten könne. Gut sei beispielsweise ein Schalter im ersten Geschoss, mit dem der komplette Strom im Keller abgeschaltet werden könne – und ergänzend dazu eine Notbeleuchtung, damit man die im Plan festgelegte Evakuierung des Kellers schnell vornehmen und mit dem Abpumpen des Wassers beginnen könne. „Übrigens sind Steckdosen und Lichtschalter im Keller meist viel zu niedrig angebracht“, merkt der Experte an. Sie sollten besser auf einer Höhe von 1,70 Metern installiert werden. Wichtiges Hab und Gut sei auf höher liegenden Regalböden besser aufgehoben als in Bodennähe.
Das Wasser immer vom Haus wegleiten
Auch die Garage könne man vor Starkregen schützen, beispielsweise mit einem Rasengitter in der Einfahrt anstatt einer asphaltierten Fläche. „Eine kleine Schwelle kann Sinn machen, bei tiefer liegenden Garagen rate ich zu einer Auffangrinne“, sagt Vogt. Generell hebt er hervor, dass es am wichtigsten sei, das Wasser bei Starkregen vom Haus weg zu leiten – jedoch nicht in die wahrscheinlich ohnehin überlastete Kanalisation, sondern besser in den Garten. Dort machten Versickerungsbereiche wie ein Teich mit zusätzlichem Kiesbett im äußeren Bereich Sinn. Wer sich mit den Nachbarn und Nachbarinnen gut verstehe, könne sich mit ihnen zusammentun und gemeinsam einen größeren Teich oder zumindest eine Versickerungsmulde über mehrere Grundstücke hinweg anlegen. Auch eine gemeinsame Mauer vor dem Haus, deren neuralgische Stellen bei Starkregen abgedichtet werden können, seien eine Überlegung wert.
Vogt betont, dass Starkregen grundsätzlich jeden treffen könne. Die Kosten für Vorkehrungen bei einem Neubau oder eventuelle Nachrüstungen seien im Vergleich zu möglichen Starkregenschäden nicht zu hoch – zumal es auch günstige Alternativen für findige Heimwerker gebe. Bei den im Handel erhältlichen Produkten zum Wasserschutz für das Haus gebe es aber leider „jede Menge Schrott“. Deshalb erarbeitet Vogt derzeit mit dem Verband der Sachversicherer eine Zertifizierungs-methode für Schutzelemente wie wasserdichte Türen, Kellerfenster oder sogenannte mobile Wände.
MARioN BRANDsTETTER